Berlins Ratskeller sterben aus und mit Ihnen endet eine wertvolle Tradition


            Berlins Ratskeller sterben aus und mit Ihnen endet eine wertvolle Tradition

Der beliebte Ratskeller Charlottenburg wurde vor mehr als vier Jahren geschlossen und wird seitdem als „Lagerfläche“ genutzt. Jetzt soll dort die bezirkliche Bibliothek einziehen Foto: Ufuk Ucta

Von Gunnar Schupelius

Rathäuser haben eine wichtige Funktion, zu der auch das gesellschaftliche Leben gehört, das sich immer im Ratskeller abspielte. Die meisten wurden geschlossen. Das war ein Fehler, man sollte sie wieder eröffnen, meint Gunnar Schupelius.

Der Ratskeller war einst eine bekannte Adresse im Bezirk, die es heute kaum noch gibt. Nur die Rathäuser Schöneberg, Köpenick und Reinickendorf pflegen die Tradition.

Zuletzt wurde der Ratskeller Charlottenburg geschlossen (Otto-Suhr-Allee 102), ein beliebter Treffpunkt, geführt von der Pächterin Angelika Scholtz. Da gab es einen Stammtisch am anderen. Auch die AfD versammelte sich gerne dort.

Das war der rot-grün-roten Mehrheit im Bezirk ein Dorn im Auge. Der Ratskeller sei „einseitig belegt“, behauptete Stadtrat Oliver Schruoffeneger  (Grüne). Man werde „diesen Treffpunkt austrocknen“, versprach der Bezirksverordnete Niklas Schenker  (Linke).

Dann griffen Linksextremisten an. Am 28. Mai 2018 um 3 Uhr morgens zertrümmerten sie die Scheiben am Ratskeller mit Steinen. „Wer die AfD bewirtet, muss mit Glasbruch rechnen“, hieß es in ihrem Bekennerbrief.

Sieben Monate später, am 31. Dezember 2018, wurde der Ratskeller geschlossen. Alle Parteien stimmten dafür, außer der FDP und der AfD. Stadtrat Schruoffeneger versprach, den Betrieb neu auszuschreiben. Der künftige Pächter solle „ein Konzept zur Demokratieförderung“ vorlegen. Was damit gemeint war, wissen wir bis heute nicht, die Ausschreibung hat es nie gegeben.

Viele Politiker und Anwohner ärgern sich noch immer. „Ich empfinde es als eine Schande, dass dieses traditionsträchtige Lokal beerdigt wurde“, schreibt uns B.Z.-Leserin Ilka-Maria Pollock. Sie sei ein „80-jährige Charlottenburgerin“ und bat uns, noch einmal nachzufragen.

Das taten wir, die Antwort des Bezirksamts ist verblüffend: Der Ratskeller sei „aufgrund stark veralteter Technik und baulicher Mängel im Küchenbereich“ geschlossen worden. Kein Wort von der politischen Motivation.

Zweitens heißt es, der Ratskeller werde als Ausweichfläche benötigt. Aktuell ziehe dort die Bezirksbibliothek ein, deren Räume (Otto Suhr Allee 96) saniert werden.

Abschließend wurden wir mit diesen Worten belehrt: „Der Betrieb einer Gastronomie ist nicht Aufgabe des Bezirks“. Der Staat „sollte nur so viele Aufgaben übernehmen wie nötig“.

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Das stimmt, doch „der Staat“ betreibt ja die Ratskeller gar nicht. Das waren Pächter wie Angelika Scholtz. Sie machten ihre Sache gut und machen es immer noch, wenn man sie machen lässt.

Das beweisen die drei letzten verbliebenen Ratskeller in Köpenick („Deftige deutsche Gerichte“), Reinickendorf („stilvoll-rustikales Restaurant mit Biergarten“) und Schöneberg. Dort im „holzgetäfeltem Speisesaal“ war „schon John F. Kennedy zu Gast“.

Das Aus in Charlottenburg war skandalös und besonders unrühmlich. Andere Ratskeller verschwanden unauffällig. Pankow, Zehlendorf und Spandau zum Beispiel blieben einfach leer, in Lichtenberg gibt es Kunst statt Bier.

Rathäuser haben eine wichtige Funktion, zu der auch das gesellschaftliche Leben gehört, das sich immer im Ratskeller abspielte. Der stirbt aus und mit ihm eine wertvolle Tradition.

Hat Gunnar Schupelius recht? Rufen Sie an: 030/2591 73153, oder Mail: gunnar.schupelius@axelspringer.de

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Eine Quelle: www.bz-berlin.de

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