Der ganz normale Wahnsinn des Alltags


            Der ganz normale Wahnsinn des Alltags

Aus dem völlig vereisten Gefrierschrank mit Lebensmittel-Kartons wird bei William Eggleston ein Kunstwerk Foto: William Eggleston

Von Claudia von Duehren

Bei C/O Berlin zeigen drei Fotokünstler ihre Ansichten vom Leben in der Heimat. Mit dabei US-Fotograf William Eggleston.

Reißzwecken auf Stühlen, Revolver-Tattoos auf nackter Haut oder Gefriergut – bei C/O Berlin eröffnen gleich drei Ausstellungen das neue Jahr. Star des Fotoereignisses im früheren Amerikahaus ist US-Fotograf William Eggleston (83).


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Die Werbetafel „Ali Gator Tire“ fotografierte Anastasia Samoylova 2021 in West Palm Beach Foto: Anastasia Samoylova

Der Sohn einer wohlhabenden Südstaaten-Familie machte die Farbfotografie zur Kunst. Das New Yorker Moma widmete Eggleston 1976 die erste Einzelausstellung mit farbigen Fotografien.

Die Kritik zerriss damals seine scheinbar spontan fotografierten Momentaufnahmen von einer Reise durch die USA. Heute gelten sie als Ikonen, denn Eggleston sah die Schönheit und das Geheimnisvolle im Alltäglichen.


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Egglestons Foto vom Cocktail (1971-74) im Flugzeug mit Blick auf die Wolken lässt viel Raum für Interpretationen Foto: William Eggleston

In den 80er-Jahren reiste William Eggleston immer wieder auf Einladung des Amerikahauses nach Berlin, fotografierte die Stadt. Bei C/O sind nun auch diese Bilder von Berlin zu sehen neben Bildern aus seiner zuletzt ausgestellten Serie „The Outlands“, ebenfalls entstanden auf einem seiner frühen Roadtrips.

Licht und Schatten in Florida

Der unscheinbare Ladeneingang mit dem Pappschild „außer Sonntags“ ist eine fotografische Verneigung vor William Eggleston, sagt Anastasia Samoylova (38). Seit 2008 lebt die gebürtige Russin im Sunshine State Florida.


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Der Ladeneingang erinnerte Anastasia Samoylova an die Momentaufnahmen von Eggleston Foto: Anastasia Samoylova

Ihre Fotos zeigen die Schattenseiten hinter den rosafarbenen Fassaden. Klimakatastrophen und politische Spaltung sind genauso wie die Waffenlobby ihr Thema. Ein Mann mit tätowierten Revolvern in Hüfthöhe kontrastiert ein Bild von einem Streetart-Künstler, der auf sein Wandbild schreibt: „Ich will ein guter Mensch sein“.


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Karolina Wojtas bildet die strenge Disziplin beim Turnunterricht an der Sprossenwand ab Foto: Karolina Wojtas

Lernen mit Schmerzen

Gute Menschen will das polnische Schulsystem sicher auch aus seinen Schülern machen, doch die Mittel scheinen grundlegend falsch. Karolina Wojtas (26) hat die Situation an einer Schule ihrer Heimat fotografiert. Die Gewinnerin des C/O Berlin Talent Award 2022 zeigt Bilder von Stiften, die Linkshändern an die rechte Hand geklebt wurden oder Reißzwecken auf Stühlen.


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Auch bei der Betreuung nach der Schule wird der Gleichklang gedrillt Foto: Karolina Wojtas

Vieles hat sie selbst inszeniert, einiges aber auch so an der Schule ihres kleinen Bruders Jacob (13) vorgefunden. Beklemmend: Ihre Installation mit 127 unbeschriebenen Schul-Diplomen für die 127 Kinder, die sich letztes Jahr in Polen das Leben nahmen.

Bis 4. Mai, Hardenbergstraße 22–24, Täglich 11–20 Uhr, 12/8 Euro


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Die Zettel mit Rügen auf dem Gesicht ihres Bruder hat Karolina Wojtas selbst gefertigt Foto: Karolina Wojtas

Eine Quelle: www.bz-berlin.de

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