Trauer und Entsetzen: Im Januar 2022 wurde der 18-jährige Kaan Ö. in einem Park in Lichterfelde von einem 20-jährigen Mann erstochen. Die Zahl der Messerattacken in Berlin steigt an: von 2600 im Jahr 2020 auf 3317 im letzten Jahr Foto: Timo Beurich
Von Gunnar Schupelius
Die Regierung muss die Bevölkerung vor roher Gewalt zu schützen, doch dieser Pflicht kommt sie nicht mehr ausreichend nach, meint Gunnar Schupelius.
Drei Tage lang sitzen die Innenminister aller 16 Bundesländer in Berlin zusammen, von Mittwoch bis Freitag. Sie suchen Wege, um die innere Sicherheit zu erhöhen.
Im Vordergrund steht dabei die zunehmende Messergewalt. Die Innenminister von Hamburg und Schleswig-Holstein fordern ein Messerverbot in der Bahn. Ihnen steckt noch der Doppelmord von Brockstedt in den Knochen.
Am 25. Januar hatte der Palästinenser Ibrahim A. (33) im Regionalzug Hamburg-Kiel die Schülerin Ann-Marie (17) und ihren Freund Danny (19) erstochen und vier weitere Fahrgäste mit einem Messer schwer verletzt. Eine 54-jährige Frau, die aufgrund der Schwere ihrer Verletzungen zeitweise im künstlichen Koma lag, beging vor wenigen Tagen Selbstmord.
Brokstedt: Todesopfer der Messer-Attacke waren 17 und 19 Jahre alt!
Doch die Forderung nach einem Messerverbot in der Bahn wirkt hilflos. Wie sollte das kontrolliert werden? Viel wichtiger wäre es, zu ergründen, wer eigentlich mit dem Messer zusticht und warum das immer häufiger geschieht.
Die Frage nach den Tätern aber wird nur ungern gestellt und lieber ausgeblendet. Da steht bei den Innenministern der sprichwörtliche Elefant im Raum, also eine Tatsache, von der alle wissen, über die aber niemand sprechen will.
Tatsache ist, was aus den Zahlen der Kriminalstatistik hervorgeht. Nehmen wir das Beispiel Berlin. Hier registrierte die Polizei 2022 insgesamt 3317 mal einen „Messerangriff“. 2428 Tatverdächtige wurden festgestellt, von ihnen hatten 1234 eine ausländische Staatsangehörigkeit, also mehr als die Hälfte.
Ende 2022 betrug der Ausländeranteil an der Berliner Bevölkerung 24,3 Prozent. Umgerechnet wurden also im Fall der Messerangriffe doppelt so viele Ausländer zum Täter als deutsche Staatsangehörige.
Tumult im Prozess um erstochenen Kaan (18)
Die Zahl der Attacken mit einem Messer nimmt in Berlin kontinuierlich zu. 2020 wurden 2600 solche Taten registriert, 2021 waren es 2777 und 2022 dann 3317.
Polizeipräsidentin Barbara Slowik machte Anfang des Jahres darauf aufmerksam, dass auch Jugendliche und Kinder immer häufiger ein Messer als Waffe einsetzen würden. „Das hat leider zugenommen“, sagte sie.
Die Messerstecher befinden sich meistens „in psychischen Krisen- oder Ausnahmesituationen“. Sie haben „überdurchschnittlich häufig selbst Gewalt erfahren“. Zu diesem Schluss kommen die Experten der Kriminologischen Zentralstelle des Bundes und der Länder in Wiesbaden. Diese gefährdeten Menschen müssten „besser aufgefangen werden“. Sie brächten also eine stärkere Betreuung.
Mehr als 3300 Messer-Attacken in einem Jahr in Berlin!
Aber genau das ist nicht möglich. Denn immer mehr Männer „in psychischen Krisen- oder Ausnahmesituationen“, die „selbst Gewalt erfahren“ haben, kommen unkontrolliert ins Land. Wenn sie auffällig werden, ist es schon zu spät.
Die Überwachung funktioniert nicht. Dafür ist der Fall Brockstedt ein Beispiel: Der Mörder Ibrahim A. aus dem Regionalzug war als Straftäter registriert, verschwand aber dennoch unbemerkt vom Behörden-Radar.
Genauso war es mit dem 29-jährigen Mouhammed N. aus dem Irak, der im April 2022 im Bahnhof Ostkreuz einem wartenden Fahrgast, den er nicht kannte, ein Messer in den Rücken rammte. Mouhammed N. war fünfmal verurteilt und wurde per Haftbefehl gesucht.
Die Innenminister haben die Pflicht, die Bevölkerung vor roher Gewalt zu schützen. Dazu gehört der Grenzschutz. Den aber gibt es trotz aller Skandale und menschlicher Katastrophen immer noch nicht.
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Eine Quelle: www.bz-berlin.de