Noch einmal das gute Wetter auskosten? Machen Sie am besten etwas Neues! Foto: picture alliance / dpa-tmn | Christin Klose
Von Inna Hemme
Nur noch zwei Wochen, dann ist Herbst. Ein Berliner Motivationscoach erklärt, wie wir die gefühlte Zeit verlangsamen können – und so mehr vom Leben haben.
Der Berliner Sommer startete mit Hitzewellen und ist dann komplett ins Wasser gefallen. Die gute Nachricht: An diesem Wochenende kommt der Sommer noch einmal zurück. Die schlechte: Es ist Mitte August, wir haben nicht mehr viel davon. Oder doch?
„Bloß nicht den Sommer abhaken! Die Zeit können wir zwar nicht anhalten, aber es gibt gute Tricks aus der Zeitforschung, wie wir sie gefühlt ausdehnen können“, erklärt der Berliner Motivationscoach Dr. Christian Weilmeier. Auch noch die letzen zwei schönen Wochen können sich wie zwei Monate anfühlen – wenn wir es richtig anstellen.
Erst einmal ist das viel zu schnelle Zeitempfinden etwas ganz Natürliches. Vor allem im Sommer haben wir das Gefühl, dass uns die Zeit davonrennt. „Weil die warmen Tage so kostbar sind, wir auf sie das ganze Jahr gewartet haben. Und weil die Erwartungen hier besonders hoch sind“, so der Experte.
Paradox: Als wir Kinder waren, schienen uns die Ferien unendlich. Je älter wir werden, desto schneller scheint der Sommer zu verpuffen.
Sommer als Kind tatsächlich länger
Beschleunigtes Zeitempfinden ist tatsächlich ein Phänomen des Alters. In der Forschung gibt es eine Theorie, dass das Zeitempfinden mit der Lebenserfahrung zusammenhänge. Für einen Zehnjährigen ist ein Jahr ein ganzes Zehntel seiner erlebten Zeit. Für einen 40-Jährigen ist es nur noch ein Vierzigstel.
Also dauert der Sommer für einen Zehnjährigen gefühlt viermal so lange. „Außerdem erleben wir als Erwachsene die meisten Dinge nicht mehr neu. Und Routine frisst die Zeit“, erklärt Christian Weilmeier.
Im Leben bleiben die vielen ersten Male, die man in der Jugend erlebt, deutlich in Erinnerung: der erste Kuss, der Sommercamp, der erste Sprung vom Fünfer. Zwanzig Jahre jeden Morgen in dasselbe Büro und jeden Abend vor dem Fernseher im selben Wohnzimmer – dann vergeht die Zeit wie im Flug.
„Je älter Menschen werden, desto weniger offen sind sie tendenziell für Neues, verfallen in Routinen. Dabei ist Berlin wie prädestiniert dafür, ständig etwas anderes zu erleben. Es ist so viel los hier. Einfach mal seinen Kiez verlassen!“, rät der Motivationsexperte.
Mehr erste Male erleben
Deutschlands führender Zeitforscher und Buchautor Karlheinz Geißler („Time is honey. Vom klugen Umgang mit der Zeit“, 15 Euro, Oekom-Verlag) beschäftigte sich über 30 Jahre mit dem Phänomen Zeitwahrnehmung und fasste in seinem Buch zusammen, wie wir sie austricksen können.
Und – zumindest was die Zeit angeht – wieder zu Kindern werden. Seine Kernaussage: „Je mehr Neues und Emotionales wir erleben, desto mehr prägt sich das im Gedächtnis ein. Und desto länger wirkt ein Zeitraum im Nachhinein.“
Fünf Schritte zur Schlagfertigkeit
Das bedeutet auch: Jeder kann die gefühlte Zeit abbremsen, wenn er wieder mehr erste Male erlebt. Lesen Sie im Kasten unten weitere Tipps der Experten, wie Ihnen dieser Berliner Sommer nach der langen Wetterflaute doch noch lange positiv in Erinnerung bleibt.
So können Sie Ihre Zeitwahrnehmung steuern
► Das Gewohnte verlassen: Es muss nicht gleich die neue Sportart sein, aber wählen Sie doch mal eine andere Jogging- oder Spazierstrecke, testen Sie ein Restaurant in einem anderen Kiez oder gehen Sie in ein Sommerkonzert (siehe die Tipps auf den Seiten 14 und 15). Lieblingsitaliener ist zwar nett, aber wiederholte Ereignisse werden nun mal nicht so intensiv wahrgenommen.
► Viel erleben: Grundsätzlich ist es zwar so, dass die Zeit bei schönen Erlebnissen oder vielen Terminen viel schneller vergeht, dieses Gefühl gilt aber nur für die Gegenwart. Im Nachhinein erlebt man diese Zeit als wertvoller und gesättigter. Ein Paradox aus der Zeitforschung.
► Fotos ausdrucken: Oft ist uns einfach nicht bewusst, was wir alles schon gemacht haben. Dabei helfen kleine Fotoalben im Handy, die die schönen Momente festhalten. Oder noch besser: Drucken Sie sich die besten Sommerfotos aus und hängen Sie sie temporär an die Wand!
► Aktiv werden: Passive Tätigkeiten wie Fernsehen oder Youtube-Videos schauen sind die größten Zeitfresser. Raus in das echte Leben! Am Bildschirm können Sie auch im grauen Herbst kleben.
► Präsent sein: Die letzten Sonnenstrahlen nicht nebenbei erleben, sondern bewusst wahrnehmen und auskosten. Genauso wie die Wassertropfen auf der Haut nach dem Sprung in den See oder den Geschmack der letzten Sommerbeeren vom Markt.
Eine Quelle: www.bz-berlin.de