Judith Kerr bei einem Empfang in London (Archivbild) Foto: dpa picture alliance
Von Sebastian Bauer
B.Z. sprach mit Schriftsteller Matthew Kneale über seine Mutter Judith Kerr („Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“), die 1933 vor den Nationalsozialisten aus Berlin nach London fliehen musste und am 14. Juni 2023 ihren 100. Geburtstag gefeiert hätte.
Eine Geburtstagstorte für Judith Kerr (1923-2019) hätte es zum heutigen 100. Geburtstag der Illustratorin und Schriftstellerin („Ein Tiger kommt zum Tee“) wohl eher nicht gegeben.
„An Kuchen war sie nicht so interessiert“, verrät ihr Sohn, der Autor Matthew Kneale (62). „Aber wahrscheinlich hätten wir uns zum Essen getroffen. Es gab ein italienisches Restaurant, das sie sehr mochte.“
Vielleicht wäre die 2019 verstorbene Kerr zum Geburtstag sogar in ihre Geburtsstadt gereist. „Berlin hat in ihrem Leben eine große Rolle gespielt“, sagt der Sohn. „Sie fuhr fast jedes Jahr hin.“
Und das, obwohl die Jüdin Kerr, Tochter des Theaterkritikers Alfred und der Komponistin Julia Kerr, 1933 als Neunjährige mit ihrer Familie vor den Nationalsozialisten aus ihrem Haus am Grunewald nach London fliehen musste. Ihre Geschichte schilderte sie im Jugendbuch „Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“ (1971).
Holocaust-Denkmal Gleis 17 in Grunewald beschädigt
Doch Kerrs Heimatgefühle für Berlin konnten diese furchtbaren Ereignisse nicht erschüttern. „Sie liebte den Grunewald wirklich sehr“, weiß Sohn Matthew. In London habe sie sich als Wohnviertel sogar eine Gegend ausgesucht, die an die Douglasstraße im Grunewald erinnert. Dort, südlich der Themse, liegt jetzt auch ihre Asche verstreut.
2017 war Judith Kerr mit der ganzen Familie noch einmal an die Spree gereist. Ihre Enkel Alexander und Tatiana hat es seither für längere Aufenthalte nach Berlin verschlagen. Deren Vater Matthew Kneale erinnert sich an Judith Kerrs oft lange Erzählungen über ihre Kindheit in Deutschland. „Sie hat besonders gern von den Menschen und von ihrer Familie erzählt.“
Nur ihre Muttersprache gab Kerr an den Nachwuchs nicht weiter. „Zu meinem Bedauern habe ich nie Deutsch von ihr gelernt. Dabei beherrschte sie drei Sprachen fließend“, sagt Matthew Kneale.
J udith Kerr als Kind im Jahr 1931 Foto: ullstein bild/Getty Images
Der Schriftsteller, der beruflich in die Fußstapfen seiner Mutter getreten ist, bekam allerdings beim Schreiben tatkräftige Unterstützung. „Wir haben uns sehr oft über das Schreiben ausgetauscht und uns gegenseitig Ratschläge gegeben.“
Dabei habe er die meisten von Kerrs Jugendbüchern erst als Erwachsener entdeckt. Fürs Vorlesen war zu Hause nämlich Vater Nigel zuständig, der das mit verstellten Stimmen besser als seine Schriftsteller-Ehefrau gemeistert habe.
Bereits als Kind war Matthew Kneale aber bereits von den Illustrationen Kerrs begeistert. Besonders Katzen habe sie bis zu ihrem Tod gerne gezeichnet.
Zum 100. Geburtstag wird Kneale ein Glas Wein auf seine Mutter trinken. „Ich proste ihr dann zu.“
Eine Quelle: www.bz-berlin.de