Blumen am Tatort: In Freudenberg wurde die 12jährige Luise von Kindern ermordet. Die Zahl Straftäter unter 14 Jahren nimmt dramatisch zu Foto: Federico Gambarini/dpa
Von Gunnar Schupelius
Die Kriminalstatistik zeigt eine furchterregende Tendenz an. Dennoch bleiben die notwendigen politischen Reaktionen aus. Das versteht man nicht, denn jetzt muss jetzt gehandelt werden, meint Gunnar Schupelius.
Die aktuelle Kriminalstatistik (PKS) des Bundesinnenministeriums für das Jahr 2022 ist äußerst beunruhigend. Demnach stieg die Zahl der Straftaten gegenüber dem Vorjahr um 11,5 Prozent auf 5,626 Millionen Fälle. Gegenüber 2019, also dem letzten Jahr vor den Corona-Maßnahmen, stieg die Zahl um 3,5 Prozent.
Zweierlei fällt dabei besonders auf: Erstens stieg die Zahl der tatverdächtigen Ausländer besonders stark (plus 22,6 Prozent gegenüber 2021). Unter ihnen nahm der Anteil der Asylbewerber und Bürgerkriegsflüchtlinge besonders stark auf 310.000 zu (plus 35 Prozent). Zweitens erhöhte sich die Zahl der tatverdächtigen Kinder unter 14 Jahren (plus 35,5 Prozent).
Diese Statistik wurde vor wenigen Tagen bekannt, die „Welt am Sonntag“ veröffentlichte sie vorab. Man hätte gedacht, dass die wirklich überraschende und erschreckende Tendenz, die sie verrät, für politische Reaktionen sorgen würden. Sind die Innenminister nicht in der Pflicht, uns zu erklären, was da in diesem Land geschieht?
Warum werden immer mehr Kinder zu Verbrechern? In jüngster Vergangenheit haben unfassbare Taten Deutschland erschüttert, verübt durch Kinderhand. In Freudenberg wurde die zwölfjährige Luise von gleichaltrigen Mädchen ermordet.
Mädchen sollen Luise aus Rache ermordet haben!
Und dennoch: Still ruht der See. Die Innenminister schweigen, anstatt in einer gesonderten Konferenz zu beraten. Und auch alle anderen, die sonst so sehr in Sorge sind um Deutschland, äußern sich nicht. Diejenigen, die schnell alarmiert sind, wenn es um rechtsradikale Gewalt oder Rassismus geht, die Konsequenzen fordern, Programme auflegen, harte Worte finden, bis hin zum Bundespräsidenten: Sie alle schweigen.
Das ist umso erstaunlicher, als dass die Probleme ja bekannt sind, die Erfahrungen bestätigen die Statistik. So hatte Berlin Polizeipräsidentin Barbara Slowik bereits zum Jahreswechsel beklagt, dass Jugendliche und Kinder immer häufiger Messer bei sich trügen und auch einsetzen würden. „Das hat leider zugenommen“, sagte sie.
Kinder sind erst mit 14 Jahren strafmündig. Mit dem juristischen Verfahren entfällt die öffentliche Aufarbeitung. Aber eben die brauchen wir. Es kann nicht sein, dass Kinder zu Gewalttätern werden – und nach kurzer Aufregung wird alles unter den Teppich gekehrt.
Die Zahlen sind dramatisch, die Ereignisse erschreckend, die regierenden Politiker ignorieren diese katastrophale Entwicklung.
Das kann nicht sein. Wenn Kinder kriminell werden und das immer häufiger und immer gewalttätiger, dann müssen wir die Ursachen finden und bekämpfen.
War es der Lockdown? Sind es die sozialen Medien? Videospiele? Fehlende Autoritäten? Es wird keine einfache Antwort geben – aber den Versuch, überhaupt eine Antwort zu finden, den muss es geben.
Nach dieser Kriminalstatistik kann uns das Schicksal der Kinder nicht gleichgültig bleiben.
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Eine Quelle: www.bz-berlin.de